Den Regierungsentwurf zum Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz habe ich zusammen mit Elmar Mand analysiert. Unser Ergebnis: Das Gesetz besiegelt eine existenzielle Schwächung der deutschen Apotheken, die vom OLG Düsseldorf initiiert und von EuGH aufgrund unzureichender Nachweise bestätigt wurde: die Außerkraftsetzung des einheitlichen Apothekenabgabepreises für Versandapotheken aus anderen EU-Staaten. Unsere Analyse des Gesetzentwurfes erscheint heute in der Arzneimittel&Recht (A&R 2020, S. 147 – 165) und ist vorübergehend hier verfügbar.
Dem Bundesgesundheitsminister standen zwei Möglichkeiten offen: entweder – wie von den Apothekerverbänden gefordert und im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt – den Versandhandel für verschreibungspflichtige Arzneimittel wieder zu verbieten, oder – wie vom BGH mehrfach angeregt und vom OLG München beim Bundesgesundheitsministerium eingefordert – den Nachweis nachzuliefern, dass der einheitliche Apothekenabgabepreis ein geeignetes Mittel zur Gewährleistung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung ist. Beides, das Versandverbot und die Preisbindung, gelten in unterschiedlichen Varianten und Kombinationen in den meisten anderen EU-Staaten und sind im EU-Recht anerkannt. Stattdessen hat sich der Minister auf einen anderen Weg versteift, der nach unserer Einschätzung alles andere als die Stärkung der Vor-Ort-Apotheken bewirken wird. Der bereits 2019 vorgelegte Gesetzentwurf sieht einerseits die ausdrückliche Anerkennung des EuGH-Urteils durch Streichung von § 78 Abs. 1 S. 4 Arzneimittelgesetz vor und will andererseits die Geltung der Preisregelung für die ausländischen Versandapotheken bei der Versorgung Versicherter der Gesetzliche Krankenversicherung sozialrechlich aufrecht erhalten. Das ist widersprüchlich, inkonsistent und nicht geeignet, die Inländerdiskriminierung deutscher Vor-Ort-Apotheken zuverlässig zu beenden. Umso unverständlicher, dass sich die Apothekerverbände nicht mehrheitlich gegen die folgenschwere Systemänderung stemmen, sondern sich mit „Peanuts“ in Form von Zugeständnissen auf Nebenkriegsschauplätzen abspeisen lassen: Grippeschutzimpfungen in Apotheken, Botendienstgebühr, pharmazeutische Dienstleistungen. (A&R 2020, S. 147 – 165)